Potsdam - Schon die Überschrift auf dem Positionspapier der brandenburgischen Linksfraktion sorgt beim Koalitionspartner SPD für Unmut, manche Sozialdemokraten halten es für einen Affront. Dort ist von Wegen „zur Gemeinschaftsschule“ die Rede, ein Unwort für die Sozialdemokraten, für die Linke aber ein Kernprojekt in den Wahlprogrammen von 2009 und 2014.
Tatsächlich hatte die Linke bereits die entsprechende Passage im Koalitionsvertrag der SPD zäh abgerungen. Darin heißt es: „In Zukunft wird überall dort, wo die Schulträger und die Eltern es wünschen, die Fusion von Grundschulen mit Oberschulen beziehungsweise Gesamtschulen zu Schulzentren möglich sein. (...) Gemeinsames Lernen aller Kinder soll von der 1. Klasse bis zum Schulabschluss möglich sein.“
Von Gemeinschaftsschule ist im Koalitionsvertrag keine Rede. Zudem dürfte die Linke mit ihren Vorschlägen bei der SPD auf Granit beißen. Denn ab 2017 will die Linke zehn Millionen Euro jährlich zusätzlich bereitstellen. In jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt soll es eine Pilotschule geben. Nötig sind nach Berechnungen der Linksfraktion rund 112 zusätzliche Stellen für Lehrer und Schulsozialarbeiter. Die Linke halten die Einrichtungen von Gemeinschaftsschulen wegen des Bevölkerungsschwundes und des Schülerrückgangs für unausweichlich, um den Schüler überlange Schulwege zu ersparen. So gehe die Zahl der Einschulungen von aktuell 20 000 auf 12 500 im Jahr 2030 zurück. Daher seien Gemeinschaftsschulen gerade in den Randregionen alternativlos, die Konkurrenz von Gymnasien, Ober- und Gesamtschulen ließen sich nicht mehr aufrechterhalten.
Die Linke ist jedenfalls auf langwierige Verhandlungen mit der SPD eingestellt. Der neue Vorstoß ist Teil der Offensive der Linksfraktion, eigene Schwerpunkte und in der Koalition Zeichen zu setzen. Von einem Konflikt in der rot-roten Koalition um die Bildungspolitik will Linksfraktionschef Christoffers aber nicht reden. Es handle sich um normale politische Diskussionen innerhalb des Regierungsbündnisses.
Doch Bildungsminister Günter Baaske (SPD) zeigte sich irritiert. Er hat derzeit vor allem damit zu tun, die bis 2019 versprochenen 4300 neuen Lehrer zu finden und den Unterrichtsausfall zu bekämpfen. Und das ist schwer genug, andere Fronten wie Inklusion oder neue Schulformen will er gar nicht erst aufmachen. Am Freitag wiederholte er deshalb seine frühere Festlegung. „Was wir aber nicht brauchen sind neue Schulversuche. Wir brauchen Schulfrieden. Und ich will, dass wir das Bestehende nutzen und behutsam weiterentwickeln.“Was die Linke nun vorschlägt, „ist schon heute möglich: Örtlich gemeinsames Lernen von der Einschulung bis zum Abitur, wenn die Schulträger – also Kreise und Kommunen – dies wollen“, sagte Baaske. Das sehe der Koalitionsvertrag auch vor. Von einer Gemeinschaftsschule werde im Koalitionsvertrag ganz bewusst nicht gesprochen.
Noch deutlicher wurde die Bildungsexpertin der SPD-Fraktion, Simona Koß. Sie warf der Linke vor, eine „ideologisch geleitete Schulstrukturdebatte“ zu führen. Die SPD wolle keine Experimente über die Köpfe von Eltern, Schülern und Lehrern hinweg, stattdessen den Übergang von der Schule zur Berufsausbildung verbessern. Dies sei für die Zukunftschancen junger Menschen wichtiger als die Einführung einer neuen Schulform.
Auch die CDU-Fraktion lehnte die Linke-Pläne strikt ab. Eine Fusion von Grundschulen und weiterführenden Schulen habe noch keinen bedrohten Standort gerettet. „Tatsächlich sind Schulzentren bloß ein Placebo, das die SPD der Linken gegeben hat, die eigentlich die Einheitsschule einführen und damit die Gymnasien in Brandenburg abschaffen will“, so CDU-Bildungsexperte Gordon Hoffmann. Grünen-Bildungsexpertin Marie Luise von Halem unterstützt die Pläne der Linken. Schulzentren seien bisher die Ausnahme, nötig seien mehr Anreize, Beratung und Unterstützung. Auch die Grünen sind für gemeinsames Lernen von der 1. bis zur 13. Klasse. Davon profitierten alle Kinder. Spöttisch bemerkte von Halem, sie sei gespannt, wie die SPD mit den Vorschlägen umgehe. „Wann und ob sie überhaupt umgesetzt werden können, ist für mich völlig offen.“ (Von Alexander Fröhlich)
Quelle: www.pnn.de/brandenburg-berlin/978747/