04.12.2015, 08:51 Uhr | Artikel der Märkischen Allgemeinen
"Mit vollem Korb an der Kasse vorbei - Merkel zahlt ja" Das Thema Asylbewerber und Kriminalität ist eine nicht versiegende Quelle für Gerüchte
Behauptung: Flüchtlinge stehlen massenhaft in Supermärkten und Geschäften, die Diebstahlszahlen sind dadurch massiv gestiegen. Umfragen bei Brandenburger Polizeidienststellen, in Supermärkten und bei Händlern belegen: Dieser pauschale Vorwurf stimmt nicht. Stattdessen die Kernaussage: Asylbewerber sind nicht krimineller als Deutsche. Gleichwohl gibt es allein schon wegen des Zustroms vieler Flüchtlinge (36 000 bis Ende des Jahres) eine Zunahme vor allem bei Eigentumsdelikten und Auseinandersetzungen unter Asylsuchenden. Das zeigt auch das aktuelle Lagebild des Bundeskriminalamtes für ganz Deutschland.
Ingo Decker, Sprecher des Innenministeriums: "In Brandenburg werden 1,5 Prozent aller Straftaten von Zuwanderern begangen. Die Hälfte der Taten sind Diebstähle. Dazu kommen Vorkommnisse und Prügeleien in Unterkünften. Bezogen auf das Kriminalitätsgeschehen in Brandenburg insgesamt ist das vergleichsweise wenig. Wir wollen da nichts dramatisieren. Aber keine Straftat ist zu rechtfertigen, auch der Ladendiebstahl nicht."
Toralf Reinhardt, Sprecher der Polizeidirektion Nord in Neuruppin, sagte in einem MAZ-Gespräch: "Die Zahl der Straftaten ist bislang nicht explizit angestiegen." Man habe lediglich einen leichten Anstieg bei Ladendiebstählen registriert, die offensichtlich auf das Konto von Asylbewerbern gingen.
Peter Meyritz, Chef der Polizeidirektion West in Brandenburg/Havel, hat zur Überprüfung der subjektiven Stimmung in der Bevölkerung die Leiter großer Supermärkte in seiner Region befragen lassen. Sein Fazit: "Keine Auffälligkeiten zum sonst Üblichen." Isabell Lehmann von der Supermarktkette Lidl mit 130 Filialen in Brandenburg teilt ebenfalls mit: "Wir stellen keine signifikante Zunahme der Diebstahlsdelikte fest."
Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes BerlinBrandenburg, ist gleichfalls nichts über eine massive Zunahme der Diebstähle durch Flüchtlinge bekannt. "Es gibt keine Hinweise über vermehrte Straftaten", sagt er. Zum Verband gehören 2000 Einzelhändler, viele seien mehrfach abgefragt worden.
Gordon Hoffmann, CDU-Landtagsabgeordneter in der Prignitz, hat jüngst einen Hinweis überprüft, wonach Flüchtlinge im Wittenberger Bekleidungsgeschäft "New Yorker" Sachen gestohlen und ihre Notdurft in der Umkleidekabine verrichtet hätten. "Beides reine Erfindungen", sagt Hoffmann, der die Ergebnisse solcher Überprüfungen künftig auf seiner Internetseite veröffentlichen will.
Behauptung: Flüchtlinge packen sich die Einkaufswagen voll und fahren an der Kasse, ohne zu bezahlen, einfach durch. Der Kassiererin rufen sie zu: "Merkel zahlt!" Marlies Poppe von der Lebensmittelhändlerkette Edeka sagt: "Jeder Ladendiebstahl bei uns wird angezeigt." Torsten Wendt, Sprecher der Polizeidirektion Süd in Cottbus: "Wenn Ladendiebstähle angezeigt werden, verfolgt die Polizei sie definitiv." Es spiele keine Rolle, ob der Verdächtige ein Deutscher, Bulgare oder Syrer sei. Andernfalls würden sich die Beamten selbst strafbar machen, so Wendt.
Behauptung: Wenn Flüchtlinge Straftaten begehen, drücken Polizei und Justiz ein Auge zu. Viele Taten werden der Öffentlichkeit bewusst verheimlicht, um die Willkommenskultur nicht zu stören. Ingo Decker, Innenministerium: "Das ist absoluter Unfug. Es wird nichts unter den Teppich gekehrt. In einer offenen Gesellschaft mit vielen Medien wäre das auch gar nicht möglich." Wenn - wie Anfang November geschehen - aus einer Asylunterkunft in Prenzlau (Uckermark) Möbel auf eine Bundesstraße geworfen würden, lasse sich das vor der Bevölkerung gar nicht verheimlichen.
Claudia Odenbreit, Richterin am Nauener Amtsgericht und Vorsitzende des märkischen Richterbundes: "In Brandenburg werden alle Straftaten verfolgt. Die Staatsanwaltschaften prüfen jeden Einzelfall, in dem ein Anfangsverdacht vorliegt. Dabei dürfen Flüchtlinge nicht besser oder schlechter gestellt werden." Laut Odenbreit müssten die Zustände in den Massenunterkünften genauer beobachtet werden - auch im Hinblick auf Gewalt gegen Frauen. "Da prallen Kulturen aufeinander."
Aber es gibt bei scheinbaren kriminellen Verwicklungen offensichtlich auch Missverständnisse. So wurden kürzlich zwei Eritreer aus einem Flüchtlingsheim in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) bei Kaufland vom Ladendetektiv festgehalten, weil der meinte, sie wollten klauen. Die jungen Afrikaner, die ohne Papiere unterwegs waren, wirkten reichlich verstört. Sie seien gläubige Menschen, sagten sie: "Wir stehlen nicht."
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