Bildungsminister Baaske will landesweit Inklusions-Klassen
Potsdam - Brandenburgs Bildungsminister Günter Baaske (SPD) will ab dem Schuljahr 2017/18 binnen sechs Jahre in allen Grund-, Ober- und Gesamtschulen Inklusionsklassen einrichten. Ziel sei es, mehr Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten oder Durchhalteproblemen einen Schulabschluss und damit eine Berufsausbildung zu ermöglichen, sagte der Minister am Mittwoch in Potsdam. Dazu versprach er unter anderem zusätzliches pädagogisches Personal, gezielte Fortbildungen für Lehrkräfte und einen langfristige auf die wohnungsnahe Versorgung ausgerichtete Schulentwicklungsplanung.
Laut Baaske wünschen sich immer mehr Eltern, dass ihre Kinder trotz besonderem Unterstützungsbedarf an einer allgemeinen Schule lernen können. In dem gerade zu Ende gegangenen Schuljahr wurden in Brandenburg 17 376 Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet, 52,5 Prozent von ihnen an Förderschulen und 47,5 Prozent im „Gemeinsamen Lernen“ an allgemeinen Schulen.
Baaske unterstrich, nicht alle Kinder mit besonderem Förderbedarf könnten an einer allgemeinen Schule optimal gefördert werden. Das Land richte sich mit dem Konzept an diejenigen, die gemeinsam lernen wollten. „Niemand wird gezwungen und niemand soll überfordert werden“, sagte Baaske. Inklusion klappe nur mit Augenmaß.
Die richtige Ausstattung der Schulen
Das Konzept, das im Herbst vom Kabinett verabschiedet werden soll, sieht zusätzliche Gelder für mehr Personal für das Schuljahr 2017/18 von rund 23 Millionen Euro vor. Um die Fördergelder können sich 55 Grund-, 20 Ober- und sechs Gesamtschulen bewerben. Der finanzielle Bedarf in den Folgejahren hänge von der Nachfrage nach unterstützendem Unterricht an allgemeinen Schulen ab, erläuterte Baaske. Daneben fördert die Landesregierung unter anderem inklusive Schulbauten, den Ausbau von Schulzentren sowie das Programm „Projekte Schule/Jugendhilfe 2020“.
Unterstützung für Baaskes Vorgehen kam selbst von der Opposition. CDU-Bildungsexperte Gordon Hoffmann befürwortete das Vorgehen, Inklusion „ in kleineren Schritten“ umzusetzen. Inklusion sei ist unter Baaskes Amtsvorgängerin Martina Münch (SPD) mit der Brechstange durchgesetzt worden. Hoffmann bescheinigte Baaske, umsichtiger vorzugehen. „Mit verantwortungsvoller Planung können wir es schaffen, dass alle Beteiligten – die Kommunen, die Eltern, Lehrer, Mitschüler – gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung oder Förderbedarf akzeptieren“, sagte Hoffmann. Entscheidend für die Akzeptanz sei die richtige Ausstattung der Schulen für die anspruchsvollen Zusatzaufgaben mit genügend und gut ausgebildeten Sonderpädagogen. „Wichtig ist, dass die Sonderpädagogen tatsächlich für die individuelle Förderung im Unterricht eingesetzt werden. Bislang werden sie leider viel zu oft zur Bekämpfung von Unterrichtsausfall zweckentfremdet“, erklärte Hoffmann. Auch dürften Sonderpädagogen nicht von Förderschulen abgezogen und an Regelschulen geschickt werden. „Die Förderschulen werden wir weiterhin brauchen.“ Zudem müssten sich die Schulämter an die eigenen Vorgaben halten: Je Inklusions-Klasse sollte es höchstens vier Förderkinder geben und sie sollte nicht mehr als 23 Schüler insgesamt haben. „In der Praxis war aber jede dritte Klasse größer als dieser Richtwert. So kann Inklusion natürlich nicht gelingen“, erklärt Hoffmann.
Zu begrüßen seien auch die zusätzlichen Fortbildungsangebote
Auch die Grüne-Bildungsexpertin Marie Luise von Halem sagte, das lange Warten auf ein Inklusionskonzept habe sich gelohnt – und es sei gelungen. Der Bildungsminister habe die richtigen Schlussfolgerungen aus der Evaluation des Pilotprojektes gezogen. Nicht nur Kinder mit Förderbedarf würden profitieren, sondern alle Schüler. Halem würdigte zudem, dass nun auch Ober- und Gesamtschulen in die Inklusionspläne einbezogen werden. Probleme gebe es allerdings noch dabei, den immensen Bedarf entsprechender Lehrkräfte zu decken, aber auch beim Ausbau der Inklusion an Gymnasien und bei der Einbindung der freien Schulen.
Die Linke-Bildungspolitikerin Kathrin Dannenberg sprach von einem Paradigmenwechsel der Landesregierung. Kern des neuen Konzeptes sei die individuelle Förderung. „Künftig werden alle Schulen so ausgestattet, dass sie den unterschiedlichen Unterstützungsbedarfen Rechnung tragen“, sagte die Landtagsabgeordnete. Zu begrüßen seien auch die zusätzlichen Fortbildungsangebote und die Neuausrichtung der Diagnostik, bei der von nun an die Entwicklung aller Kinder im gesamten Schuljahr intensiv beobachtet werde. Finanzminister Christian Görke (Linke) habe bereits für die nötigen Personalstellen gesorgt. (Von Christina Denz, Alexander Fröhlich)
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