18.10.2016, 19:08 Uhr | Presseartikel der Märkischen Onlinezeitung

Immer mehr Saisonkräfte im Klassenzimmer

Potsdam (MOZ) Mit großen Mühen hat das Bildungsministerium 1400 neue Lehrer für das neue Schuljahr angeworben. Doch bei den Verträgen zeigt man sich zuweilen knauserig - selbst Ferienzeiten werden nicht immer bezahlt. Oppositionspolitiker und Gewerkschafter üben Kritik.
Es wird gepokert in den Schulämtern. Dort werden voll ausgebildete Lehrer in bestimmten Fächerkombinationen händeringend gesucht - auf dem Arbeitsmarkt sind diese jedoch kaum verfügbar. Selbst die vom Land ausgelobte "Buschprämie" zeigte bislang keinen Erfolg. Daher arbeiten die Organisatoren oft mit Übergangslösungen - was sich in den Beschäftigungsverhältnissen niederschlägt.

 

Den Umfang dieser Praxis belegen kleine Anfragen des CDU-Abgeordneten Gordon Hoffmann an die Landesregierung. Daraus geht hervor, dass immer mehr Lehrkräfte nur befristete Verträge erhalten. Die Zahl stieg von 550 im Schuljahr 2012/2013 auf 809 im Schuljahr 2015/2016. Absoluter Spitzenreiter ist das Schulamt Brandenburg an der Havel. Ebenfalls zeigt die Statistik, dass ein Großteil der betroffenen Pädagogen nicht nur kurzzeitig eine Lücke schließt, sondern weiterbeschäftigt wird, also sich von Vertrag zu Vertrag hangelt. Das Bildungsministerium erklärt, oftmals würden befristet beschäftigte Lehrer die Wartezeit bis zum Referendariat überbrücken oder sich als Rentner etwas dazuverdienen.

Hoffmann stört sich vor allem an der Praxis, dass viele Zeitverträge pünktlich zu Beginn der Sommerferien auslaufen, die betroffenen Lehrer sich dann arbeitslos melden müssen und zum neuen Schuljahr erneut zeitweise angestellt werden. "Vor dem Hintergrund, dass Lehrer auf dem Arbeitsmarkt kaum noch zu finden sind, ist das ein Schildbürgerstreich", meint der Bildungsexperte der CDU-Fraktion. "Mir fehlt jegliches Verständnis für diese Pfennigfuchserei."

Vor allem junge Pädagogen, denen sämtliche Möglichkeiten offen stehen, könnten dadurch verprellt werden, kritisiert Hoffmann. Er kündigt an, Minister Günter Baaske (SPD) im Bildungsausschuss des Landtags zu den genauen Gründen zu befragen. Dieser teilte auf die jüngste kleine Anfrage mit, dass nicht zu Lasten der Lehrkräfte gespart werde. Die Verträge würden "so frühzeitig wie nur möglich" entfristet.

Nach Angaben der Bildungsgewerkschaft GEW fehlt den Schulen oftmals Planungssicherheit, da befristete Verträge erst spät abgeschlossen werden. Diese "pädagogische Saisonarbeit" sei skandalös und mit großen Nachteilen für Schüler und die Lehrkräfte selbst verbunden, sagt die GEW-Bundesvorsitzende Marlis Tepe. Wie aus einer Studie der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht, ist das Phänomen der Lehrerarbeitslosigkeit in den Sommerferien bundesweit verbreitet. Demnach sind vor allem Lehrkräfte unter 35 Jahren betroffen: Ihr Anteil liegt bei knapp 70 Prozent. Viele betroffene Lehrkräfte, so heißt es in der Untersuchung, würden mit Beginn des neuen Schuljahres weiterbeschäftigt.

"Befristungen müssen die absolute Ausnahme sein", fordert auch der GEW-Landesvorsitzende Günter Fuchs. "Sonst bekommt man keine qualifizierten Leute." Vielfach hätten Lehrkräfte bereits gegen befristete Verträge geklagt - fast immer erfolgreich, so Fuchs. "Mich ärgert diese Entwicklung. So kann man mit Pädagogen nicht umgehen." Der Chef des Brandenburgischen Pädagogenverbandes, Hartmut Stäker, spricht von falschen Signalen. "Wenn Quereinsteiger den Beruf des Lehrers ergreifen wollen, dann muss es die Möglichkeit geben, sie auch langfristig zu binden. Auch Universitäts-Absolventen sollten angemessene Verträge erhalten.


Quelle:   www.moz.de/nachrichten/brandenburg/artikel-ansicht/dg/0/1/1523757/