Das Ergebnis sei vorweg genommen: nach dem anderthalbstündigen Bildungsgipfel am Dienstag in Zehdenick wird sich das komplexe Problem von Lerndefiziten bei Schülern und Berufsanfängern nicht einfach in Luft auslösen, aber die politischen Vertreter mögen aus der Diskussion mit Unternehmern und Lehrern Ideen mitgenommen haben, um strukturelle Verbesserungen anzustoßen.
Auf Einladung der Unternehmervereinigung Nord (Uno) wurde im Lehmhaus der Aqua hinterfragt, ob Schulabgänger der Region fit sind für die Berufswelt? Zumindest für ein Drittel der Jugendlichen gilt das nach Auffassung von Vereinschef Norbert Gerth nicht. "Wir stellen in der Praxis fest, dass es weniger Azubis gibt und immer mehr Abgänger Defizite haben und deshalb an der Ausbildung scheitern." Diese Defizite entstehen nicht erst im Lehralltag, sie ziehen sich oft durch die gesamte Schullaufbahn.
Wo also muss man ansetzen? Diese Frage ging vor allem in die Richtung der Landtagsabgeordneten von SPD, Linke und CDU, die zu dieser Gesprächsrunde gekommen waren und letztlich ihre Auffassung von Bildungspolitik in Brandenburg oder wie sie anders sein könnte, vertraten. Als Stellschrauben oder auch Baustellen wurden die Lehrpläne genannt, die Lehrerausbildung, die Ausstattung von Schulen, der Lehrermangel, fehlende Integration von Seiteneinsteigern, aber auch die Stellung von Pädagogen sowie ein Desinteresse in Elternhäusern.
"Wir haben nur diese Jugendlichen, wir kriegen keine anderen", sagte etwa die Linken-Abgeordnete
Kathrin Dannenberg. Von den Schülern werde heute viel erwartet, zugleich hätten Schule, aber auch Ausbildungsbetriebe, eine hohe Verantwortung für die Jugendlichen.
Gordon Hoffmann von der CDU betonte, es werde immer noch zu viel in die Lehrpläne gepackt. "Aber wir besinnen uns zu wenig darauf, was die Jugendlichen können müssen."
Reinhard Witzlau, Schulleiter der Siemens Oberschule Gransee betonte, dass viel getan werde, um den Übergang der Schulabgänger in die Berufswelt zu gestalten. Trotzdem erreichen die Lehrer nicht jeden. Das seien dann oft auch diejenigen, die ihre Ausbildung abbrechen (rund ein Drittel) oder nicht bestehen. Nach Auffassung von
Karl-Heinz Jünger, Leiter der Exin-Oberschule Zehdenick, liegt ein Kernproblem nicht in den Schulen oder den Betrieben, sondern in der Gesellschaft. Schüler, die schulmüde seien, binden die Kraft und Zeit der Lehrer, die den anderen Schülern wiederum fehlt. Einige Eltern nähmen von Hinweisen und Beratungsangeboten weder Notiz noch ließen sich auf Kontakte mit der Schule ein. Ohne diesen Austausch sei es so gut wie unmöglich, an die Jugendlichen ranzukommen. "Es müssen Alternativen für die Beschulung von lernmüden Schülern gefunden werden", fordere Jünger. Die Inklusion sei richtig, aber sie hätte viel besser flankiert werden müssen, um nicht zu einer Überforderung für alle Beteiligten zu führen.
Oberhavels Bildungsdezernent
Dieter Starke verteidigte die Schulen im Kreis: "Wir haben gute Schulen", sagte er. Zugleich verwies er auf verschiedene Programme, die Jugendliche beim Übergang in die Berufswelt unterstützten und vom Kreis gefördert werden. Zu den Problemen im Schulbetrieb gehörten die mitunter langem Fehlzeiten von Lehrern - rund ein Drittel, sagte Starke, sei langzeiterkrankt. Dass bei Problemfällen die Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Schulen und Jugendamt besser werden muss, sieht Starke ähnlich wie die Schulleiter. Er sensibilisierte aber auch für die steigenden Fallzahlen im Jugendamt und die Grenzen des Machbaren.
Mit einer flammenden Rede nahm
Michael Wittke, Lehrer und Unternehmer aus Fürstenberg, das Schlusswort des Abends vorweg: "Das Leben kennt keine Fächer. Wir müssen Schule anders machen, wenn wir die Kinder nicht verlieren wollen", sagte er. Kinder hätten keine Vorstellung davon, wofür sie Bildung bräuchten. Die Leistungs- und Anstrengungsbereitschaft leide nicht nur bei denen, die offensichtlich Probleme hätten. Die Gesellschaft müsse sich des Phänomens der emotional vernachlässigten Kinder bewusst werden. (
Von Cindy Lüderitz)
Quelle: www.maz-online.de