Etwa 30 Prozent der Schulen haben ihre Fachlehrer nicht zu Fortbildungen zum neuen Rahmenlehrplan geschickt. Das ist laut Bildungsministerium ein Grund für das diesjährige Debakel beim Mathe-Abi. Doch stimmt das? Inzwischen gibt es Zweifel, ob die Fortbildung wirklich verpflichtend war.
Potsdam. Die Pannen bei dem diesjährigen Mathe-Abitur in Brandenburg gehen zum Teil auf eine mangelnde Fortbildung der Lehrer zurück. Etwa 30 Prozent der Schulen hätten ihre Fachlehrer nicht zu Fortbildungen zum neuen Rahmenlehrplan geschickt, obwohl diese Informationsveranstaltungen verpflichtend gewesen waren. Das ist das Ergebnis des Expertenberichts zum Mathe-Abitur, das am Donnerstag in Potsdam vorgestellt wurde. „Von jeder Schule hätte ein Lehrer teilnehmen müssen und die Inhalte dann ins Kollegium tragen müssen“, erklärte Gutachter Ulrich Kortenkamp, Professor für Didaktik der Mathematik an der Universität Potsdam.
Doch inzwischen gibt es Streit darüber, wie „verpflichtend“ diese Fortbildungen waren, die im Oktober 2014 in den Schulamtsbezirken angeboten wurden. Im Einladungsschreiben wurden die Schulen lediglich gebeten, Kollegen zu entsenden. Von einer verbindlichen Anforderung der Fachlehrer ist keine Rede.
Mehr als eine freundliche Einladung
Für Kortenkamp ist das mehr als eine freundliche Einladung. Er würde dies als verpflichtende Veranstaltung verstehen, sagte er. Auch Bildungsminister Günter Baaske (SPD) sieht das so. Als weiteres Indiz für den verbindlichen Charakter der Fortbildung wertet er, dass in dem Schreiben die Übernahme der Fahrkosten erklärt wurde. Das sei bei freiwilligen Fortbildungen nicht der Fall, so Baaske.
Das Schwänzen der Fortbildung hatte keine Konsequenzen für die Lehrer, wohl aber für die Schüler: Von rund 6000 Schülern, die in diesem Jahr in Mathematik ihr Abitur geschrieben haben, haben sich etwa 2580 Schüler darüber beschwert, dass der abgefragte Stoff nicht behandelt worden sei. Das entspricht einer Quote von 43 Prozent. Sie dürfen die Prüfung am 12. Juni wiederholen.
Baaske spricht von „einzelnen Versäumnissen“ Bei dem Stoff, an dem bei der Prüfung am 3. Mai die Schüler verzweifelten, handelt es sich um eine Logarithmus-Aufgabe, die Teil des neuen Lehrplans ist. Deswegen seien die Aufgaben auch lehrplankonform gewesen, sagte Kortenkamp. „So darf ein Abitur aussehen, so muss ein Abitur aussehen.“
„Es tut mir leid, dass das passiert ist“, sagte Baaske. Er könne aber nicht erkennen, dass etwas systematisch falsch gelaufen sei. Er spricht von „einzelnen Versäumnissen“, von einer Reihe von „Missverständnissen und Kommunikationsproblemen“. „Deswegen gibt es auch keine klare Schuldzuweisung. Aber wir müssen dafür sorgen, dass sich so ein Vorfall nicht wiederholt“, sagte er. Künftig sollen die Schulämter und Schulen Disziplinarmaßnahmen an die Hand bekommen, um die Teilnahme an der Lehrerfortbildung sicherzustellen.
Zweifel an verpflichtender Fortbildung Der CDU-Bildungsexperte Gordon Hoffmann bezweifelt außerdem, dass die Abi-Panne nur aus einer Verkettung von Missverständnissen resultiert. „Ich glaube, das einzige Missverständnis ist, dass der Minister immer noch kein systematisches Versagen erkennen kann“, sagte er. Auch die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Marie Luise von Halem, sieht tieferliegende Ursachen. „Offenbar erhielten die meisten Mathelehrer wichtige Informationen zum Rahmenlehrplan – wenn überhaupt – nur aus zweiter Hand. Natürlich gehen dabei Inhalte verloren“, sagte sie und sprach von „systeminternen Defiziten“.
Baaske will verhindern, dass sich ein derartiges Debakel wiederholt. So soll der Lehrplan noch einmal auf Verständlichkeit überprüft werden und die Zahl der Mathe-Stunden erhöht werden. Denn in Brandenburg wird Mathe in der Abi-Vorbereitung nur mit vier Wochenstunden statt wie in Berlin mit fünf Stunden gelehrt.
Quelle: www.maz-online.de/Brandenburg/Mathe-Abi-Wirbel-um-schwaenzende-Lehrer