01.07.2019, 09:44 Uhr | Presseartikel der Märkischen Online Zeitung

Pilotprojekt Schul-Cloud vor Start - Fragen zur digitalen Bildung

Potsdam (dpa) Tabletcomputer, WLAN-Router, Docking-Stationen und große Flachbildschirme an den Wänden - in immer mehr Schulklassen Brandenburgs wird Lernen und Lehren digital vermittelt.

Anfang September startet an 54 Schulen ein Pilotprojekt zur digitalen Vernetzung. In der Schul-Cloud werden Bildungsangebote und -medien gespeichert, die Schüler und Lehrer von jedem Ort aus mit dem PC oder Smartphone per Internet abrufen können. Laut Bildungsministerium soll es im kommenden Schuljahr eine Ausschreibung für weitere 49 Schulen geben, die sich 2020/2021 beteiligen können.

Die Cloud ist Teil der digitalen Ausrüstung der märkischen Schulen, für die in den kommenden Jahren 168 Millionen Euro investiert werden sollen. Davon stellt die Bundesregierung 151 Millionen Euro für den "Digitalpakt Schule" bereit, 17 Millionen Euro steuern Land und Schulträger bei. Die 24 Grund- und 30 weiterführenden Schulen, an denen die Cloud erprobt werden soll, hatten zuvor an zwei "medienfit"-Programmen teilgenommen. Für die medientechnische Ausstattung sowie Fortbildungs- und Beratungsprogramme gibt das Land bis 2020 rund 5,7 Millionen Euro aus.

Nach Ansicht des CDU-Bildungsexperten Gordon Hoffmann, der mit einem Fraktionskollegen eine Anfrage an die Landesregierung zur digitalen Bildung stellte, ist die Einführung der vom Hasso-Plattner-Institut (HPI) und weiteren Experten entwickelten und vom Bundesbildungsministerium geförderten Schul-Cloud längst überfällig. "Brandenburg ist bei der digitalen Bildung noch immer ein Entwicklungsland", kritisiert der Landtagsabgeordnete. Andere Bundesländer seien viel weiter. Mit dem in Potsdam ansässigen HPI habe das Land "Kompetenzen, die bundesweit ganz vorn sind, aber nicht genutzt werden".

Laut Hoffmann geht das HPI davon aus, dass in Brandenburg derzeit gerade einmal 20 Prozent der Schulen über den für die Cloud erforderlichen schnellen Internetanschluss verfügen. "Von der WLAN-Ausrüstung der Schulen ist dabei noch gar nicht die Rede." Mitte 2021 soll untersucht werden, ob die Cloud sich bewährt hat und auf alle Schulen übertragen werden kann.

Nach Einschätzung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sind die Mittel für die digitale Bildung viel zu gering. Zwar werde der Kauf von technischem Gerät unterstützt, für die Folgekosten müssten jedoch die Schulträger aufkommen, kritisiert GEW-Landeschef Günther Fuchs. Auch der Datenschutz an den Schulen sei bislang unzureichend.

Seiner Ansicht nach ist auch die Frage ungeklärt, wie die neuen Techniken mit ihren Möglichkeiten eingesetzt werden sollen. Wichtig sei es, die Schüler zu einem kritischen Umgang damit zu befähigen. "Wir brauchen auch eine Forschung, die sich mit dem digitalen Lernen in der Netzwerkgesellschaft beschäftig." Notwendig sei "ein Konsens von Eltern, Lehrern und Schülern über Inhalte und Ziele des Lernens und Lehrens". Ähnlich wie bei den Empfehlungen für Lehrbücher müsse es auch für digitale Medien Qualitätsstandards geben.

Auch viele Eltern würden über diese Themen gern mit dem Bildungsministerium sprechen und wünschten sich mehr Informationen über die Digitalstrategie. "Wir haben das Thema bei den Treffen mit Vertretern des Ministeriums immer wieder angesprochen. Dabei erhielten wir nur allgemeine Informationen, was geplant sei. Man befinde sich noch in der Testphase, hieß es. Ausführliche Auskünfte könne es erst später geben", sagt René Mertens, vom Vorstand des Landeselternrats.

Der Brandenburgische Pädagogen-Verband (BPV) hält die Zahl von 54 Schulen, für die die Schul-Cloud zunächst vorgesehen ist, für zu gering. Viele Schulen hätten sich schon mit anderen Lernplattformen ausgeholfen. Es gebe Lehrer, die ihre Anwendungen nicht wechseln wollen, sagt BPV-Präsident Hartmut Stäker.

Er unterstütze die Schul-Cloud. "Noch wichtiger aber ist es, alle Schulen mit einem schnellen Internetzugang auszustatten und ein leistungsfähiges WLAN-Netz einzurichten." Ohne diese Voraussetzungen könnten Schüler und Lehrer auf die Plattform gar nicht zugreifen.


Quelle: https://www.moz.de/nachrichten/brandenburg/artikel-ansicht/dg/0/1/1738014/