24.06.2024, 08:53 Uhr | Presseartikel der Märkischen Allgemeinen (Von Igor Göldner)

AfD könnte mehr Direktmandate erobern, als ihr zusteht: So will die CDU das verhindern
Brandenburgs CDU sorgt sich: Holt die AfD viele Direktmandate und gewinnt damit die Wahl? Deshalb hat sie eine Erststimmen-Kampagne gestartet. Ihr Kalkül: Nur die CDU kann der AfD die Mandate streitig machen – wenn man die Europa- und Kommunalwahl zugrund

Potsdam. In Brandenburg könnte die AfD bei der Landtagswahl einen Großteil der 44 Direktmandate in den Wahlkreisen erobern. Das ist nicht ausgeschlossen, die Partei ist nach wie vor im Umfragehoch und führt aus Sicht der Meinungsforscher das Bewerberfeld vor SPD und CDU an. Dabei könnte es passieren, dass die AfD mehr Sitze über die Erststimme, also das Direktmandat, erhält, als ihr nach dem Anteil der abgegebenen Zweitstimmen eigentlich zusteht. Beispiel: Die AfD holt 33 Direktmandate, wie es momentan das Portal wahlprognose.de vorhersagt, bekommt aber nur 25 Prozent der Stimmen, wie eine Erhebung von Insa ergab.

Dann würde die AfD Überhangmandate erhalten. Den anderen Parteien stehen in einem solchen Fall Ausgleichsmandate zu, damit der Proporz durch den Wählerwillen wieder hergestellt ist. Allerdings ist die Anzahl nach dem Wahlrecht in Brandenburg begrenzt – und an dieser Stelle macht sich vor allem die brandenburgische CDU Sorgen. Denn in Brandenburg darf der Landtag, der in der Regel 88 Sitze hat, nur auf maximal 110 ausgedehnt werden.

Da ein Direktmandat in jedem Fall den Einzug in den Landtag bedeutet, könnte die Anzahl der Ausgleichsmandate sinken. Juristen sprechen von einem „Verzerrungseffekt“. Mehrere Überhangmandate könnten infolge der gesetzlichen Begrenzung nicht ausgeglichen werden. Andere Länder haben andere Regelungen: Dort gibt es so viele Ausgleichsmandate, wie erforderlich.

CDU verschiebt den Fokus im Wahlkampf

Für die CDU sind diese Gedankenspiele Anlass, den Fokus im Wahlkampf zu verschieben. Die Partei, die mit Spitzenkandidat und Landeschef Jan Redmann ins Rennen geht, hat sich die Europa- und Kommunalwahlen genau angeschaut: In 16 der 18 Kreise und kreisfreien Städte lag die AfD auf Platz eins. Meist habe die CDU nur wenige Prozentpunkte hinter der AfD gelegen, während die SPD weit abgeschlagen sei.

Die CDU wird deshalb erstmals eine Erststimmen-Kampagne starten. In kleinen Videos sollen alle 44 Direktkandidaten dafür werben, dass die Bürger ihre Erststimme unbedingt der CDU gibt. Generalsekretär Gordon Hoffmann, der in der Prignitz antritt, hat es vorgemacht und wendet sich in dem Video an „alle Prignitzer, die mit der AfD nichts anfangen können“. Er hält eine Karte seines Wahlkreises in die Höhe, die blau ist. „Das sind die AfD-Ergebnisse bei der Europawahl: Die Prignitz ist blau, die AfD hat 30 Prozent.“ Doch die zweitstärkste Kraft sei landesweit die CDU. Deshalb sei die CDU die „Anti-AfD-Stimme“.

Eine Zuspitzung des Wahlkampfs auf SPD kontra AfD will die CDU vermeiden

Die Erststimme für die CDU würde dafür sorgen, dass die AfD in Brandenburg nicht die Mehrheit gewinnt, glaubt Hoffmann. Deshalb sollten sich alle, die die AfD nicht haben wollten, hinter der CDU versammeln. Denn nicht SPD, Grüne oder Linke, sondern nur die CDU habe die Chance, die AfD zu stoppen. Dahinter steckt auch der Versuch der CDU, eine Wiederholung der Wahl-Auseinandersetzung von 2019 zu verhindern, als es auch den Schlussmetern der SPD gelungen ist, eine Polarisierung im Wahlkampf zu erreichen – nach dem Motto: „Woidke oder die AfD“. Damals gewannt Woidke die Wahl vor der AfD.

CDU-Spitzenkandidat Redmann sagte, bisher sei der Erststimme viel zu wenig Bedeutung beigemessen worden. Er kündigte an, die Zeit bis zur Landtagswahl zu nutzen, um über die Besonderheit des Wahlgesetzes in Brandenburg aufzuklären. „Ich vertraue den Wählerinnen und Wählern, dass sie ihre Erststimme entsprechend vergeben werden, um für Stabilität und Anstand zu sorgen“, betonte Redmann.

SPD-Generalsekretär David Kolesnyk sprach von „hypothetischen Überlegungen“ der CDU, die nicht eintreffen würden. Die bevorstehenden Landtagswahlen seien nicht vergleichbar mit anderen Wahlen wie zu Europa. Seine Partei jedenfalls werde um die Erststimmen im Wahlkreis und die Zweitstimme werben, die der Generalsekretär „die Woidke-Stimme“ nannte.

 

 

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