14.11.2016, 20:35 Uhr | Presseartikel Potsdamer Neuste Nachrichten

Realitätsverweigerung
Bildungsminister Günter Baaske verschwieg Landtag und Lehrern miserables Abschneiden der Achtklässler bei Vergleichsarbeiten

Potsdam - Nach Bekanntwerden der schlechten Ergebnisse von Brandenburger Achtklässler bei den Vera-Vergleichstests in Mathematik, Deutsch und Englisch hat die Landtagsopposition teils harsche Kritik an der Bildungspolitik der rot-roten Landesregierung geübt. Der Bildungsexperte der CDU-Landtagsfraktion Gordon Hoffmann warf der SPD Realitätsverweigerung vor. Er forderte ein Qualitätspaket besonders für Oberschulen, wo nach den Befunden des Instituts für Schulqualität Berlin-Brandenburg (ISQ) 60 Prozent der Schüler in Mathematik den Schulstoff kaum beherrschen und Probleme in Deutsch und Englisch haben. Hoffmann sprach von Alarmzeichen, die rechtzeitig ernst genommen werden müssten. Grünen-Bildungsexpertin Marie Luise von Halem sagte, die Landesregierung müsse Fortbildungsangebote für Lehrkräfte und Unterstützung für Schulen deutlich auszubauen.

Mit den turnusmäßigen Vera-Tests in den achten Klassen soll erfasst werden, was für eine Ausbildungsreife die Schüler bis zum Abschluss binnen zwei Jahren noch erreichen müssen – oder anders herum: Es wird getestet, was die Schüler nach acht Jahren im Hinblick auf die Prüfungen in der zehnten Klasse schon können müssten.

Doch in Mathematik sind die Ergebnisse alarmierend: Demnach können 60 Prozent der Oberschüler (2015: 41 Prozent) und 40 Prozent der Gesamtschüler (2015: 32 Prozent) in Mathematik im achten Schuljahr nicht einmal einfache Aufgaben lösen. Sie sind sogar „unter dem Mindeststandard“. In Deutsch können 39 Prozent der Oberschüler und 25 Prozent der Gesamtschüler nicht richtig schreiben, ihre Rechtsschreibung reicht nicht für den Mindeststandard. Gleiches gilt für 38 Prozent der Oberschüler und 17 Prozent der Gesamtschüler im Fach Englisch beim „Leseverstehen“, beim „Hörverstehen“ für 18 Prozent der Oberschüler und 8 Prozent Gesamtschüler.

Von Halem nannte den enormen Niveauunterschied zwischen Gymnasien und Oberschule bedenklich, ebenso, dass der Anteil jener Schüler steigt, die nicht die Mindestanforderungen erfüllen.

Verwundert zeigte sich der Bildungsexperte der CDU-Landtagsfraktion, weil Rot-Rot in der vergangenen Woche im Landtag eine aktuelle Stunde zur Bildung abhalten ließ , Bildungsminister Günter Baaske (SPD) kein Wort über die neue Studie verlor. Hoffmann sagte: „Wenn die SPD im Plenarsaal die angebliche Leistungsfähigkeit des Brandenburger Bildungssystems preist, während von Jahr zu Jahr weniger Schüler bei Vera 8 die Mindeststandards erreichen, ist das eine klare Form von Realitätsverweigerung.“ Brandenburger Schülern helfe es nicht, wenn SPD und Linke öffentlichkeitswirksam „Erfolgsmeldungen abfeiern, während sie kritische Befunde verschämt zurückhalten“. Für eine gute Bildungspolitik sei eine ehrliche Bestandsaufnahme nötig.

Doch dazu sah sich das Bildungsministerium offenbar nicht in der Lage. Als die PNN vor mehr als einer Woche die Test-Ergebnisse angefragt hatten, hieß es, diese müssten vor Veröffentlichung erst im Ministerium ausgewertet werden. Das war vor der Plenardebatte im Landtag. Und auch gegenüber Schulleitern und Lehrern verschwieg Baaske die Ergebnisse. In einem Brief des Ministers an die Lehrerschaft, datiert auf vergangenen Montag, preist Baaske die unstrittigen Verbesserungen Brandenburgs in den vergangenen Jahren in diversen Vergleichstest an. Und: „Ich freue mich sehr, dass die vielfältigen Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung an den Schulen Wirken zeigen.“ Er sei „sehr zuversichtlich, dass die Sicherung und Weiterentwicklung der Schul- und Unterrichtsqualität allen Schülern sehr gute Chancen für ihre persönliche Entwicklung bieten wird“. Doch die erschreckenden Ergebnisse der neuen Vera-Tests, die im Ministerium längst bekannt waren, erwähnt Baaske in dem zweiseitigen Brief nicht. Ebenso, dass 60 Prozent der Oberschüler in der achten Klasse „basale Kenntnisse“ in Mathematik fehlen, „um ein selbstbestimmtes und erfolgreiches Leben bestreiten zu können“. (Von Alexander Fröhlich)


Quelle: 
www.pnn.de/brandenburg-berlin/1130786/