21.07.2017, 11:19 Uhr | Presseartikel Potsdamer Neuste Nachrichten

ABITUR-CHAOS IN BRANDENBURG Noch eine Panne bei den Mathe-Aufgaben
Brandenburgs Bildungsminister Baaske gerät wegen der Pannen beim Mathe-Abi immer weiter in Erklärungsnot. Bei der Problemaufgabe fiel ein Vorab-Check einfach aus.

Potsdam - In der Panne um das Mathematik-Abitur verstrickt sich Brandenburgs Bildungsministerium immer tiefer in Widersprüche. Und es offenbart nun selbst schwere Verfahrensfehler: Die Aufgaben sind vor Herausgabe an die Schulen nur unzureichend durchgerechnet und geprüft worden. Eine von drei Vorabkontrollen hat gar nicht – wie bislang von Bildungsminister Günter Baaske (SPD) behauptet – stattgefunden. Die Frage steht im Raum, ob das Abi-Chaos vermeidbar gewesen wäre, hätte das Bildungsministerium das übliche Verfahren eingehalten.

Politisch wird die Lage für Baaske brisant. Nachdem er dem Bildungsexperten der CDU-Landtagsfraktion, Gordon Hoffmann, am Mittwoch vorgeworfen hatte, wissentlich die Unwahrheit über die Panne zu verbreiten, schoss Hoffmann am Donnerstag zurück. Der CDU-Politiker hatte Akteneinsicht genommen und war darauf gestoßen, dass das Protokoll zur ersten von drei Vorab-Kontrollrunden für das Mathe-Abi fehlt.

In den Akten fehlt ein Protokoll für den Vorab-Check 

Konkret geht es um die sogenannte Eisbecher-Aufgabe mit komplizierter Funktionsrechnung, wegen der 2600 Schüler die Mathe-Prüfung wiederholen durften. Lehrer hatten beklagt, die Aufgabe sei nicht Teil des Lehrplans. Baaske und von ihm beauftragte Gutachter der Universität Potsdam hatten erklärt, die Aufgabe sei sehr wohl Teil des Lehrplans, Lehrer hätten bei den Fortbildungen aber gefehlt.

Allerdings gab es zu dieser Aufgabe zwei Varianten: Für den Einsatz von sogenannten CAS-Taschenrechnern (Computer-Algebra-System), die Funktionen auf dem Display anzeigen, und ohne. Ursächlich für die Panne beim Mathe-Abi war die Aufgabe ohne CAS.

Bei der Aktensicht fand Hoffmann zwar ein Protokoll der ersten Kontrollrunde, bei der Lehrer wie Schüler alles durchrechnen. Aber nur für Prüfungen mit CAS. Erklären konnte ihm niemand, warum das Protokoll für Aufgaben ohne CAS fehlte. Von der zweiten und dritten Runde gibt es für beides, mit und ohne CAS, Protokolle. In der zweiten Kontrollrunde hatten Prüfer die Aufgabe als „ungeeignet“, „nicht vorgesehen“, „unterrichtsfern“ abgelehnt.

Ministerium räumt ein: Der erste Vorab-Check fiel aus

Daher erklärte Hoffmann am Mittwoch zunächst, die erste Kontrollrunde habe offenbar überhaupt nicht stattgefunden – jedenfalls für die Prüfung ohne CAS-Rechner. Baaske konterte mit dem Vorwurf der Falschbehauptung, sagte: Alle drei Kontrollrunden hätten stattgefunden. Nun legte Hoffmann nach, wies „die Unterstellungen des Ministers“ zurück und forderte von Baaske, „die betreffenden Protokolle öffentlich zu machen“. Entweder kenne der Minister nicht die Aktenlage oder ihm, Hoffmann, seien Unterlagen vorenthalten worden.

Auf PNN-Anfrage räumte eine Ministeriumssprecherin am Donnerstag ein, dass es tatsächlich nur ein Protokoll für die Aufgaben unter Einsatz der CAS-Rechner gebe – und nur in diesem Fall die erste Kontrollrunde stattfand, nicht aber für die Mathe-Prüfung ohne CAS-Rechner. Die Begründung dafür bringt das Ministerium immer weiter in die Bredouille. Die Kontrolle der Prüfung mit CAS reiche aus, diese sei bis auf eine zusätzliche Aufgabe identisch mit der Prüfung ohne CAS-Rechner. Daher könnten die Ergebnisse der Kontrollrunde - für die Prüfung mit Rechner auf die Prüfung ohne Rechner - übertragen werden.

Doch ein Blick in die vom Ministerium an Schulen und Lehrer herausgegebenen Hinweise zu den „Erwartungshorizonten“, also zur Bewertung, zeigt: Die Teilaufgaben zum Eisbecher-Komplex sollten von den Lehrern - je nach Lösung mit oder ohne Rechner - unterschiedlich bei der Punktzahl bewertet werden. Die Ergebnisse der ersten Kontrollrunde für Aufgaben mit Rechner waren also nicht einfach für dieselben Aufgaben ohne Rechner übertragbar. Nun muss Baaske mit dem Vorwurf leben, dass ohne diesen Verfahrensfehler - keine erste Kontrollrunde für die Prüfung ohne CAS-Rechner - das Abi-Chaos vermeidbar gewesen wäre. (Von Alexander Fröhlich)




Quelle: www.pnn.de/brandenburg-berlin/1202137/