05.10.2017, 14:45 Uhr | Presseartikel der Märkischen Allgemeinen Zeitung
Eine Partei - aber nicht eine Meinung Eine kontroverse Diskussionsrunde der CDU gab es zum Tag der deutschen Einheit in Pritzwalk mit dem Parlamentarier Arnold Vaatz
Pritzwalk. Am Abend des 3. Oktober hat die CDU-nahe Konrad Adenauer Stiftung zum Tag der deutschen Einheit in die Alte Mälzerei nach Pritzwalk eingeladen. Auf dem Programm standen ein Vortrag und eine anschließende Diskussion mit dem ehemaligen DDR-Bürgerrechtler und jetzigen Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz. Was ist aus den „blühenden Landschaften“ geworden, achtundzwanzig Jahre nach Mauerfall? „Haben wir diese nicht gemeinsam geschaffen und wie steht es um die Unterschiede in Ost und West?“ Das sind die Fragen auf der Einladung zu der Veranstaltung, die an diesem Abend etwa zwanzig interessierte Gäste in den Saal der Mälzerei gebracht hat.
„Ich fühle mich geehrt, dass Sie einen Politiker aus Dunkeldeutschland eingeladen haben“, kokettiert derSachseVaatz zurBegrüßung mit seiner Herkunft und eröffnet den Abend zugleich mit dem Kernpunkt seiner Befindlichkeiten. Bevor der den aktuellen Bezügen des Mauerfalls kommt, arbeitet er detailreich seineErinnerungen an die DDRund die Zeit des Mauerfalls auf. Von der Invasion der Tschechoslowakei über Gorbatschows Aufweichender Parteidoktrin bis hin zur folgenschweren Fernsehansprache Schabowskis. Und dann Helmut Kohl, der Macher der Wende, der Arnold Vaatz zufolge „seine Aufgabe nicht besser hätte machen können“.
„Doch warum lösen die Erfolge der Wiedervereinigung bei den Menschen heute keine Begeisterung mehr aus, woher kommt diese Unzufriedenheit?“, lenkt eine Zwischenfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Gordon Hoffmann den Exkurs in die heutige Zeit. Für diese Fragen hat Arnold Vaatz vielerlei Erklärungen. „Die Menschen messen sich mit ihren Renten und ihrem Einkommen am Westen, eigentlich sollten wir uns im Osten aber doch eher an den ehemals sozialistischen Republiken messen.“ Einen wesentlichen Grund für die Schieflage der Bundesrepublik macht der Dresdner CDU-Politiker aber vor allem im Wirken der Medien aus. „Das Wort ’Lügenpresse’ nehme ich nicht in den Mund, aber die Berichterstattung vermittelt eine Einheitsmeinung. Der Osten wird in den Medien nicht repräsentiert“, erläutert Arnold Vaatz und scheint persönlich betroffen. „Die öffentlich rechtlichen Medien behandeln die Ostdeutschen wie Abc-Schützen und das gipfelt jetzt in der AfD.“ Sein Parteifreund Hoffmann fragt kritisch nach, ob er „nicht aus seinen Erfahrungen der DDR-Zeit ein generelles Misstrauen gegen die Medien entwickelt“ habe?
So offenbaren sich im schummrigen Licht des Saales an diesem Abend vermutlich nicht nur innerparteiliche, sondern auch Generationenkonflikte durch die altersbedingt sehr verschiedenen Biografien der Politiker. Als der ehemalige Bürgerrechtler Vaatz in der DDR wegenWehrdienstverweigerungzu Gefängnis und Strafarbeit verurteilt wurde, drückte der junge Gordon noch die Schulbank. Die Wendezeit hat der Sachse Vaatz im Neuen Forum politisch mitgestaltet, die GrabenkämpfeumdiedeutscheEinheit hat er hautnah miterlebt. So berichtet er von einem Auftritt des SPD Politikers Otto Schily im Jahr 1990. Als Erklärung für den Wahlerfolg der CDU hielt Schily damals eine Banane in die Fernsehkameras. „Das hat für alle Zeiten gesessen“, beschreibt Arnold Vaatz die Demütigung, die noch siebenundzwanzig Jahre später schmerzt.Er empfindet den Vorfall von damals als symptomatisch für den Umgang zwischen Ost und West. Jan Redmann, CDU Landtagsabgeordneter aus Wittstock, hinterfragt diesen Eindruck: „Sind wir Ossis nicht auch überempfindlich, sollten wir nicht viel mehr diskutieren?“
Die Positionen kollidieren schließlich, als Arnold Vaatz viel Verständnis für die Kritik der Sachsen an der Einwanderungspolitik der Kanzlerin zeigt: „Wenn man die unzufriedenen Menschen nicht ernst nimmt, werden sie immer extremer“, beschreibt er die Zustände in seinem Bundesland und ordnet damit auch das Ergebnis der Bundestagswahl ein. Der Parteifreund Jan Redmann widerspricht: „Die CDU in Sachsen hat die Kanzlerin immer sehr schnell kritisiert und hat damit die Argumente der AfD erst hoffähig gemacht.“ Das Wählerverhalten scheint dem jungen Prignitzerrecht zu geben, im Gegensatz zu Brandenburg hat die CDU in Sachsen große Verluste hinnehmen müssen.EinAbendjenseits vonParteidoktrinen – egal mit welcher Position man sympathisiert – eine Schulstunde in basisdemokratischem Diskurs.
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