Potsdam - Brandenburgs Landesregierung ist vom angekündigten Abbau der Unterrichtsausfälle an den Schulen noch weit entfernt. Stattdessen erreichte die Zahl der ersatzlos ausgefallenen Stunden  im  abgelaufenen  Schuljahr 2016/2017  mit  2,1  Prozent  den  höchsten Wert seit zehn Jahren, wie das Potsdamer Bildungsministerium auf Anfrage mitteilte. Um den durch steigende Schülerzahlen, Pensionierungen und Krankmeldungen verursachten Lehrermangel zu mildern, werden immer mehr Seiteneinsteiger eingestellt und nach kurzer Einarbeitung in die Klassen geschickt.
						Laut Bildungsministerium mussten die Schüler im vergangenen Schuljahr auf 255 127 Stunden Unterricht verzichten. Mehr  als  zehn  Prozent  der  rund  12,2 Millionen Pflichtstunden konnten nicht von  Fachlehrern  erteilt  werden.  Doch auch die seit 2014 verstärkt eingestellten Seiteneinsteiger können den Bedarf von jährlich 1000 bis 1200 Lehrkräften in  den  nächsten  zehn  Jahren  nicht decken.  „In  bestimmten  Regionen machen Quereinsteiger in den Grundschulen bereits zwei Drittel aller Neueinstellungen aus“, sagt Brandenburgs Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft  (GEW),  
Günther  Fuchs. Knapp  zehn  Prozent  der  rund  19  000 Lehrkräfte in Brandenburg sind bereits Seiteneinsteiger. „Ihre Zahl wird in den kommenden Jahren zunehmen, da der Markt  leergefegt  ist“,  glaubt  Fuchs. Deshalb sei mit dem Bildungsministerium vereinbart worden, spätestens ab 2019  die  bisherige  berufsbegleitende 200-Stunden-Schnellausbildung der Seiteneinsteiger  durch  ein  dreimonatiges Qualifizierungsseminar  zu  ersetzen.  
  Der  bildungspolitische  Sprecher  der CDU-Fraktion, 
 Gordon  Hoffmann, sagte: „Wir warnen seit Jahren davor, aber die Landesregierung hat erst ganz geleugnet  und  dann  kleingeredet.  Für SPD  und  Linke  ist  das  beschämend, denn  Schülerinnen  und  Schüler  aus sozial schwachem Umfeld leiden besonders stark unter Ausfall.“ Hoffmann forderte  eine  Verdoppelung  der  Vertretungsreserve  und  einen  Notfalltrupp, eine Art mobile Lehrerreserve. Derzeit reiche die Vertretungsreserve nur aus, um Lehrer zu vertreten, die monatelang krank seien. Für andere Vertretungen sei nicht vorgesorgt. Die Schonfrist für dieneue  Bildungsministerin  Britta  Ernst(SPD)  sei  vorbei.  
  Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion,  Marie  Luise  von Halem, sagte, der hohe Unterrichtsausfall sei eine Folge des Lehrkräfteman
  gels, der sich durch viele Jahre verfehlter Personalpolitik ergeben habe. Brandenburg müsse jetzt in Abstimmung mit Berlin und den Hochschulen beider Länder den gezielten Ausbau der Studienkapazitäten vereinbaren. Nötig seien auch bessere Qualifizierungsangebote für Seiteneinsteiger.
   
  Der stellvertretende Sprecher des Landeselternrates, 
Jan Alexy, hält die Neulinge für eine „Notlösung“, da ihnen die pädagogischen Fähigkeiten häufig fehlten. Vor allem in den ländlichen Regionen müsse mehr getan werden, um Lehrer anzulocken. „Es dauert in Brandenburg auch zu lange, ehe Bewerber nach ihrem  Studium  eine  Zusage  für  den Schuldienst  bekommen“, habe er beobachtet.  
  Viele  Bewerber  hätten  dann  schon  in Berlin eine Anstellung, wo ein höheres  
Einstiegsgehalt  lockt.  „Die  Verbeamtung in Brandenburg allein zieht nicht“, ist Alexy überzeugt. Auch bei der angekündigten besseren Gesundheitsversorgung für Pädagogen gebe es „zu wenig Bestrebungen“.  Die mit der Landesregierung nun vereinbarte höhere Gehaltseinstufung  für  Grundschullehrer  ist nach  Ansicht  der  Lehrerverbände  ein richtiger Schritt. „Aber das reicht nicht aus, Arbeitsbedingungen und Motivation der Lehrkräfte zu verbessern“, stellt der  Präsident  des  Brandenburgischen Pädagogen Verbands, Hartmut Stäker, klar. Für bestimmte zusätzliche Aufgaben der Lehrer sowie für ältere Kollegen müsse es auch Entlastungen geben, fordert der Verbandschef. Im Gegensatz zu anderen Ländern gebe es in Brandenburg für Lehrer keine Chance, als einfacher Beamter befördert zu  werden. „Die entsprechende  Beförderungsregelung liegt  seit  1991  auf  Eis“,   klagt  Stäker. Da die jetzigen Lehramtsstudenten frühestens in sieben bis  acht Jahren in den Schuldienst übernommen werden können, fordern  Elternvertreter und Lehrerverbände kurzfristige Lösungen. Dazu gehört die Anhebung der sogenannten Vertretungsreserve  für  Aushilfskräfte von drei auf mindestens acht Prozent. Auch an der „Baustelle Gesundheitsmanagement“ müsse es bald zu Ergebnissen kommen, um die Arbeitsbelastungen für Lehrer zu verringern, so GEW Landeschef  Fuchs.  Zudem  sollte  das neue Besoldungsgesetz rasch beschlossen werden, damit junge Lehrkräfte vor Beginn  des  Schuljahres  2018/2019 geworben  werden  können. 
  
  
  Quelle: www.pnn.de