Potsdam - Mehrere Tausend Schüler und Lehrer haben am Donnerstag in Potsdam für eine Gleichbehandlung der freien Schulen in Brandenburg demonstriert. Die Veranstalter sprachen von 5000 Teilnehmern, die Polizei von 2400. Auf den Stufen der Nikolaikirche forderten die Arbeitsgemeinschaft Freie Schulen (AGFS) Brandenburg und Vertreter der Oppositionsparteien die Hochstufung der Erfahrungsstufen bei Lehrern der freien Schulen und damit höhere Zuschüsse vonseiten des Landes. An Brandenburgs freien Schulen lernen nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft in Brandenburg mittlerweile 33 000 Schüler, das entspricht 12,7 Prozent der Gesamtschülerschaft.
Ganze Schulklassen hatten sich am Morgen mit ihren Lehrern am Potsdamer Hauptbahnhof versammelt und grüppchenweise zur Staatskanzlei aufgemacht. Vor der Staatskanzlei wurde getrillert, Demonstranten rollten Plakate aus. Um kurz nach 10 Uhr zog der Demonstrationszug in Richtung Landtag. Auf dem Alten Markt fand dann eine Kundgebung statt. Von den Plakaten war die Wut der Demonstranten abzulesen: „Ich kann gar nicht so scheiße arbeiten, wie ich bezahlt werde“, stand auf einem. Schüler und Schülerinnen riefen: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut.“
Die Lehrerin
Andrea Sperling lief mit gelber Weste neben ihren Schützlingen vom Leonardo-da-Vinci-Campus in Nauen her. Sie ist wütend, weil ihre Schule mit weniger Geldern auskommen muss. „Es ist schon ungerecht, weil wir an den privaten Schulen uns sehr für die Schüler und Schülerinnen engagieren. Dieser starke Unterschied in der Bezahlung ist überhaupt nicht gerechtfertigt.“
Die AGFS-Vorsitzende
Irene Petrovic-Wettstädt eröffnete und moderierte die Redebeiträge. Der Hauptkritikpunkt ihres Verbands ist die Einstufung der Lehrergehälter. Dabei bestimmt die sogenannte Erfahrungsstufe über die Höhe der Bezahlung mit. An öffentlichen Schulen wurde 2018 die Erfahrungsstufe 6 eingeführt, sodass der Durchschnitt der Lehrer an öffentlichen Schulen auf Erfahrungsstufe 5 stieg. An freien Schulen blieb es bei einer fünfstufigen Einteilung, die durchschnittliche Erfahrungsstufe liegt bei 4. Ihre Forderung: Eine Anhebung auf Stufe 5 - daher das Motto der Veranstaltung „Give me 5“.
Die Rede von Bildungsministerin
Britta Ernst (SPD) traf auf wenig Begeisterung. Sie wies darauf hin, dass die freien Schulen seit 2012 wesentlich mehr Geld bekämen. Selbst wenn man die gestiegene Schülerzahl herausrechne, hätten die freien Schulen 28 Prozent mehr. „Auch wenn wir im Wahlkampf sind, habe ich leider keinen Sack Geld mitgebracht“, so Ernst. Die Demonstranten reagierten mit Buhrufen. Die Ministerin fügte hinzu, sie sei bereit, das Finanzierungsmodell zu diskutieren und gegebenenfalls zu ändern.
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen,
Petra Budke, bezeichnete die freien Schulen als „wichtigen Motor für die Bildung in Brandenburg“.
Gordon Hoffmann, bildungspolitischer Sprecher der CDU, bezeichnete den Umgang mit den freien Schulen als „Sauerei“. „Die freien Schulen werden wie ein ungeliebtes Stiefkind behandelt“, sagte er.
Kathrin Dannenberg von der Linken hob die Rolle der freien Schulen nach der Wende hervor: Sie hätten während des Stellenabbaus in den öffentlichen Schulen vor allem im ländlichen Raum für die Versorgung der Schülerinnen und Schüler gesorgt und viele Lehrkräfte aufgenommen. „Wenn man sich jetzt gegenseitig vor Gericht verklagen muss, ist das eine Katastrophe“, sagt sie. Derzeit laufen laut AGFS mehr als 250 Klagen freier Schulen für die Schuljahre 2018/19 und 2019/20 vor dem Verwaltungsgericht. Das Gesamtvolumen belaufe sich auf 40 Millionen Euro. Laut und deutlich. Eltern, Lehrer und Schüler gingen für mehr Förderung auf die Straße. Die freien Schulen beklagen, dass sie ihren Angestellten weniger Lohn zahlen können, die Eltern fürchten schlechtere Betreuung. (Von Nantke Garrelts)