Oberhavel (MOZ) Für sechs Euro Unkostenbeitrag gibt es am Mittwochabend auf dem Kremmener Spargelhof Currywurst und ein Anrecht auf Ausschank vom 50-Liter-Freibierfass. Oberhavels CDU-Kreisvorsitzender Frank Bommert hat zum politischen Aschermittwoch eingeladen. Parteien nutzen diesen Anlass in aller Regel, der politischen Konkurrenz in bierseliger Runde höhnisch die Leviten zu lesen. Doch der Abend in Kremmen beginnt müde und er gewinnt dann auch nicht richtig an Fahrt. Die Christdemokraten wirken nicht wirklich angriffslustig.
Wie auch? Bislang waren es ja vor allem die Sozialdemokraten, die die Schlagzeilen immer wieder mit unerklärlichen politischen Volten und Führungsdebatten füllten. Jetzt sind es die Christdemokraten selbst, über die Deutschland den Kopf schüttelt. Die Union hat sich ausgerechnet von der AfD in Thüringen vorführen lassen. Die Partei ringt um ihr Verhältnis zu den Linken. Sie stürzt bei den Wahlen in Hamburg und bei den Umfragen in Brandenburg ab. 14 Prozent machen nur noch Platz 5 in der Mark.
Nur rund 50 Parteifreunde kommen am Mittwoch nach Kremmen. Zum Spargelessen im Frühsommer und zum Martinsgansessen vor Weihnachten kommen immer mehr als doppelt so viele. "Die Stimmung ist vielleicht gedrückt", sagt Bommert mit Blick auf den Zustand der Union und den rassistischen Amoklauf in Hanau. "Wir haben eine traurige Woche hinter uns", sagt er. Seine Aschermittwochsrede beginnt mit einer Schweigeminute.
Klare Worte an die AfD
Auch danach bleibt Bommert gedämpft. Der Mann, der im Netz gern mal gegen Grüne und Linke austeilt und den Coup der AfD im Thüringer Landtag neulich noch als "geile Nummer" feierte, ist an diesem Abend um versöhnliche Töne bemüht. Er zitiert seinen erzkonservativen Oranienburger Parteifreund Michael Ney, der nach der Landtagswahl über eine Koalition mit den Bündnisgrünen sagte: "Die Braut ist zwar hässlich, aber geheiratet wird sie trotzdem." Es gehe eben auch um die Mitgift, sagt Bommert. Und die sei "besser, als gar nicht zu heiraten".
Was er damit meint, wird vor allem in der Rede von Brandenburgs CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann auf dem Spargelhof erkennbar. Hoffmann macht schon zu Beginn deutlich, dass seine Deftigkeiten zum Aschermittwoch nicht die Koalitionspartner im Land treffen werden. "Wir sind ja jetzt in einer Regierung. Und einige sind da empfindlich." Offenbar sieht Hoffmann auch kaum Grund, sich zu beklagen. Den grünen Umweltminister Axel Vogel lobt er bei der geplanten Tesla-Ansiedlung in Grünheide als "schnell und serviceorientiert". Er sei überrascht, dass "uns ausgerechnet ein Grüner erklärt, dass 300 Hektar Bäume kein Wald sind, sondern einfach nur Bäume oder eine Nutzholplantage", erklärt Gordon Hoffmann und reißt dann einen Gag zum Aschermittwoch, der den Koalitionsfreunden kaum wehtun dürfte: "Ein Wald ist eben erst ein Wald, wenn die Grünen sagen, dass es ein Wald ist."
"Klare Worte" richtet Hoffmann an diesem Abend vor allem an Linke, AfD und seine eigene Partei. Mit Blick auf 30 Jahre Deutsche Einheit sagt er, die Union dürfe "Respekt, Dankbarkeit und Stolz" fühlen. "Hätten nicht Kohl, Schäuble und Waigel damals Verantwortung getragen, wären wir heute nicht hier." Diese "historische Leistung", die "das größte politische Geschenk unserer Geschichte" sei, lasse er sich nicht schlecht reden – schon gar nicht vom "milchgesichtigen" Landesvorsitzenden der Linken, Sebastian Walter. "Der kennt den Osten nur aus Erzählungen seiner Genossen und behauptet heute, der Staatssozialismus sei genauso gescheitert wie die soziale Marktwirtschaft. Das ist eine Gleichsetzung mit einem undemokratischen System und einer Mangelwirtschaft. Das lassen wir ihm nicht durchgehen." Auch täten die Linken so, als hätten sie den Umweltschutz erfunden. "In meiner Jugend gab es bei uns in der Elbe auch Fische – tote, die mit dem Bauch nach oben schwimmen. Dass wir heute wieder Lachse und Forellen sehen, ist auch unsere Verdienst. Die Bewahrung der Schöpfung ist Bestandteil christdemokratischer DNA. Wir brauchen keine Nachhilfe beim Umweltschutz."
Auch Belehrungen von der AfD verbittet sich Hoffmann. "Der AfD geht es nicht um Opposition, sondern um Destruktion. Sie sprechen zwar Probleme an, haben aber keine Lösungen. Sie zielen allein darauf ab, uns der Lächerlichkeit preiszugeben. Das ist nicht konservativ, nicht bürgerlich, nicht seriös und damit keine Alternative."
Geschlossenheit gefordert
Deutliche Worte, die der Basis in Kremmen Mut und vielleicht auch etwas Zuversicht geben soll. Dass die Mitglieder verunsichert sind, berichtet die Landtagsabgeordnete Nicole Walter-Mundt am Rande der Veranstaltung. Die Oranienburgerin führt den dortigen CDU-Stadtverband und die Kreistagsfraktion. "Unsere Situation ist schwierig. Wir müssen die Fragen zügig klären, zur Sacharbeit zurückkehren und geschlossen auftreten. Das wird von uns erwartet. Dafür brauchen wir eine klare Führung und einen klaren Weg."
Ihre Vorstellung von klarer Führung lässt Nicole Walter-Mundt allerdings offen. Laschet, Merz oder Röttgen? "Der bessere wird sich durchsetzen", antwortet sie auf die Frage nach ihrem Favoriten nur. Auch Generalsekretär Hoffmann unterbreitet seinen Parteifreunden keinen Vorschlag. Er fordert lediglich: "Egal, wer es wird, wir müssen ihm folgen. Wir haben nur einen Schuss frei." Fatalistisch soll das nicht klingen. "Wir sind mit unseren Kandidaten besser dran als die SPD, die schon Schwierigkeiten hatte, welche zu finden."
Frank Bommert bleibt sich jedenfalls treu. Er verkündet ganz offen, wie beim letzten Mal Friedrich Merz zu wählen. "Wir brauchen einen Wechsel", sagt er. Die Wahl findet am 24. April in Berlin statt. Bommert hat an dem Tag Geburtstag. Er hoffe, dass sich sein Wunsch erfüllt. Gransees Amtsdirektor Frank Stege hofft mit ihm. Merz sei der richtige und Steges Heimat dafür offenbar der Beweis. "Wir machen in Gransee konservative Politik. Und bei uns gibt es keine AfD. Wir haben bei uns aber auch eine starke SPD. Und auch die brauchen wir. Ich hoffe, dass sich die Sozialdemokraten wieder fangen", sagt Stege. Womöglich ist er damit nicht allein. Die SPD wird an diesem Abend in Ruhe gelassen. In der Not ist man sich manchmal eben näher, als einem lieb ist.
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